Die leuchtende Ampel vor bewölktem Himmel janvier, AdobeStock
Allgemein 4. Dezember 2023

Koalitionsvertrag 2021: Was hat die Ampel bisher umgesetzt?

Seit zwei Jahren lenkt das Ampel-Bündnis bestehend aus Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP nun die Geschicke des Landes. Wir wollten wissen: Wie erfolgreich hat die Regierung ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag 2021 bisher umgesetzt? Ein Überblick über einige für Kommunen relevante Vorhaben.

Die Ampel-Regierung hat kein gutes Image. Das Bündnis aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen ist sich in vielem nicht einig und wird von bösen Zungen auch gerne als „Streitkoalition“ bezeichnet. 43 % aller Menschen in Deutschland gehen davon aus, dass das Dreiergespann nur einen kleinen Teil oder kaum welche der im Koalitionsvertrag 2021 gemachten Versprechen umsetzt. Vertrauen in die Umsetzungskraft haben nur noch 12 % aller Befragten, wie eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigt. „Der öffentlich inszenierte Koalitionsstreit führt dazu, dass die tatsächliche Regierungsleistung und Umsetzungstreue unterschätzt wird“, so Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an der Universität Kassel und Vorsitzender der linksliberalen Denkfabrik Das Progressive Zentrum.

In einer gemeinsamen Studie haben Das Progressive Zentrum, Bertelsmann Stiftung und die Universität Trier den Umsetzungsstand des Koalitionsvertrags 2021 genauer untersucht. Entgegen der Wahrnehmung vieler Bürgerinnen und Bürger bescheinigt Demokratie-Experte der Bertelsmann Stiftung Robert Vehrkamp der Ampel „eine ingesamt sehr vielversprechende Halbzeitbilanz“. 453 Regierungsversprechen hat die Regierung laut Studie in ihrem Koalitionsvertrag formuliert. Davon hat sie bisher 174 (38 %) voll oder teilweise erfüllt, 55 Vorhaben (12 %) sind im Prozess und 62 (14 %) immerhin angegangen. Offen sind noch 162 (36 %) Versprechen. Im Vergleich zur Halbzeitbilanz der Vorgängerregierung habe die Koalition mit 174 statt 154 erfüllten Versprechen sogar etwas mehr geschafft, so Vehrkamp.

Koalitionsvertrag 2021: Neue Dynamik für Deutschland

„Wir sehen es als unsere Aufgabe, der ökonomischen Stärke unseres Landes eine neue Dynamik zu verleihen“, schreibt die Ampel im Koalitionsvertrag 2021. Richtschnur für das politische Handeln sind demnach die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG). Ökonomische Entwicklung und ökologische Verantwortung will die Ampel zusammendenken. Damit bezieht sie sich vor allem auf die Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Die damitverbundenen Maßnahmen beispielsweise in den Bereichen Energie, Klimaschutz, Verkehr und Kreislaufwirtschaft sind angesichts des Klimawandels nicht nur notwendig, sondern bergen auch das Potential, nachhaltigen Wohlstand zu sichern sowie Raum für Innovationen, gute Arbeit, Wettbewerbsfähigkeit und mehr Effizienz zu schaffen. „Wir leiten ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen ein“, heißt es im gemeinsam verfassten Papier.

Investition ist für viele Kommunen einen gutes Stichwort. Vor allem in Städten und Gemeinden mit hohen Altschulden fehlt es schlichtweg an Geld, um in Maßnahmen zur Transformation zu investieren. Kommunen von Altschulden zu entlasten, ist daher ein Vorhaben der Ampel, welches zumindest schon angegangen wurde. 2022 hatteBundesfinanzminister Christian Lindner eine entsprechende Änderung im Grundgesetz vorgeschlagen. Kommunen können sich jetzt flexibler auf dem Weg machen

Eine Lösung der Altschuldenproblematik solle im Rahmen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen erfolgen. Laut einem Bericht der Funke-Mediengruppe stehe das Angebot im Raum, der Bund würde die Hälfte der Kosten für eine Entschuldung übernehmen. Zudem soll es laut Vertrag eine rechtssichere Verhinderung erneuter Überschuldung geben. Aufgrund der Altschulden und Steigerungen in den sozialen Kosten sowie dringenden Investitionen in Bildung, sind viele Kommunen, Kreise und Länder bisher auch den Weg gegangen, sich für die strukturelle starke Partner an die Seite holen, die sie in der Transformation hin zur Klimaneutralität begleiten und wirtschaftlich unabhängiger machen. Eine Studie des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig aus dem Jahr 2022 beweist, dass starke öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) langfristig für effektive Transformationsprozesse sorgen, nicht-zweckgebundene Haushaltsmittel in die kommunalen Kassen spülen, kommunale Kosten reduzieren, Bürokratie durch keine dauerhaften Vergabesituationen abbauen und Kapazitäten innerhalb der Verwaltung schaffen können. Und das bei Entscheidungshoheit der Kommune.

Weniger Bürokratie bei Förderungen für Klimaschutz

Um Klimaschutz und Transformation in Kommunen voranzutreiben, will der Bund kommunale Investitionstätigkeiten zusätzlich unterstützen. Dies soll zielgerichtet geschehen durch den Abbau von Investitionshemmnissen bei entsprechenden Förderprogrammen. Konkret heißt das: Förderprogramme entbürokratisieren, sinnvoll bündeln und praktikable Fristen einführen. Vor allem für steuerschwache und überschuldete Kommunen sollen die Bedingungen für die Beanspruchung von Förderungen angepasst werden. Dass sich hier bislang noch nichts bzw. nicht spürbar etwas bewegt hat, untermauert ein Statement von Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes im August diesen Jahres. Gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) beklagte er, Förderprogramme seien teilweise so kompliziert abgefasst, dass Kommunen darauf verzichteten, sie in Anspruch zu nehmen. Hier ist also noch Handlungsbedarf.

Ein wichtiges Ziel, bei dem Kommunen u. a. auch mit Förderungen unterstützt werden, ist es, in den nächsten drei Jahrzehnten klimaneutral zu werden. Dies soll laut Koalitionsvertrag technologieoffen ausgestaltet werden. Eine wichtige Säule ist der Ausbau erneuerbarer Energien, welcher vor allem dezentral, d. h. auch auf kommunaler Ebene, erfolgt. Bis 2030 sollen 80 % des Bruttostrombedarfs aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Im „Osterpaket“ vom Mai 2022 hat der Bundestag eine Reihe von Regelungen beschlossen, um hier das Tempo insbesondere beim Windenergieausbau an Land zu beschleunigen. Zudem will die Ampel-Regierung dafür sorgen, dass Kommunen von Windenergie- und Freiflächensolaranlagen, welche auf ihrem Gebiet stehen, finanziell profitieren können. Eine entsprechende Verpflichtung gibt es bislang aber noch nicht.

Klima- und Transformationsfonds bildet finanzielle Basis

Vor dem Hintergrund der Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal ist auch Klimaanpassung ein Thema im Koalitionsvertrag 2021. Das entsprechende Vorhaben, hier eine vorsorgende Strategie zu erarbeiten, ist bereits umgesetzt und im Klimaanpassungsgesetz verankert. Das wiederum wurde Anfang November vom Bundestag verabschiedet. Die Länder sind hierin beauftragt, bis spätestens 31. Januar 2027 flächendeckende und systematische Klimaanpassungsstrategien zu erarbeiten und für Konzepte zur Klimaanpassung in Kommunen zu sorgen. Die Finanzierung für Vorsorge und Anpassung soll laut den Koalitionsfraktionen von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden. Wie genau, ist aber noch nicht abschließend geklärt. Das jüngste Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem die Verwendung von Corona-Krediten für Klimaprojekte als verfassungswidrig eingestuft wurde, erschwert es der Bundesregierung, hier eine gute Lösung zu finden.

Konkret geht es dabei um Kredite, die für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verwendet werden sollten. Dieser ist eine Weiterentwicklung des Energie- und (EKF) und wurde 2022 als wesentliches Instrument zur Finanzierung von Klimaschutz und von der Bundesregierung beschlossen. Im KTF als Sondervermögen waren für den Zeitraum 2023 bis 2026 ursprünglich Mittel von insgesamt 177,5 Milliarden Euro für Investitionen in umweltschonende und bezahlbare Energieversorgung und Klimaschutz vorgesehen. Mit dem Urteil des Verfassungsgerichts entfallen nun eingeplante Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro. Trotz dessen würden laut Wirtschaftsminister Robert Habeck „alle zugesagten Verpflichtungen eingehalten werden“. Darunter fällt die Unterstützung der kommunalen sowie die Förderung von energetischer Stadtsanierung.

Wie es indes mit der Planung nach 2024 weitergeht, ist jetzt offen. Der Klima- und Transformationsfonds bildet die finanzielle Grundlage für viele weitere im Koalitionsvertrag formulierte Vorhaben. Deren Umsetzung steht größtenteils noch aus. So soll u. a. der Aufbau der Wasserstoffindustrie in Deutschland mit Geldern aus dem KTF gefördert werden. Das ehrgeizige Ziel der Ampel ist es, bis 2030 Leitmarkt für Wasserstofftechnologien zu werden. Eine Fortschreibung der entsprechenden Nationalen Wasserstoffstrategie erfolgte im Juli 2023. Die im Koalitionsvertrag angekündigten Quoten für grünen in der öffentlichen Beschaffung wurden noch nicht eingeführt. Weitere Mittel aus dem KTF waren bislang u. a. für die Ansiedlung von Zukunftstechnologien und Entwicklung einer klimaneutralen Wirtschaft sowie den Ausbau von Schienenwegen geplant.

Mehr Spielraum bei Verkehrsgestaltung für Kommunen

Die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur ist ein weiteres wichtiges Thema der Ampel. Investitionsmittel insbesondere für den Ausbau von Schienenwegen wurden im Bundeshaushalt 2024 deutlich erhöht. Zusätzliche Gelder hierfür sollen auch aus der Erhöhung der Lkw-Maut kommen. Diese gilt ab Dezember. Laut Spiegel reiche das bereitgestellte Geld aber kaum aus, um das marode Bahnnetz zu sanieren. Für eine klimafreundliche Mobilität setzt die Ampel auch auf den ÖPNV. So will sie „Länder und Kommunen in die Lage versetzen, Attraktivität und Kapazitäten des ÖPNV zu verbessern“. Ziel sei es, die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs deutlich zu steigern. „Wir wollen einen Ausbau- und Modernisierungspakt.“ Zu diesem Zweck hat die Ampel die erhöht. Auch das seit Mai geltende Deutschlandticket für 49 Euro ist Teil des Vorhabens.

Um Ländern und Kommunen mehr Entscheidungsspielraum bei der klima- und umweltfreundlichen Verkehrsgestaltung vor Ort zu eröffnen, hat das Bundeskabinett im Juni diesen Jahres eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes angestoßen. Dieser hat der Bundestag Ende Oktober zugestimmt. Neben der Gewährleistung eines flüssigen und sicheren Verkehrs innerorts, können Kommunen nun auch Ziele aus Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und Städtebau bei der Gestaltung des Verkehrs berücksichtigen. Konkret haben sie die Möglichkeit, u. a. leichter Tempo-30-Zonen an bestimmten vulnerablen Streckenabschnitten einzuführen und Bewohnerparken flexibler anzuordnen. Außerdem können sie nun einfacher Sonderfahrspuren anordnen, um dort alternative Antriebe zu erproben, beispielsweise mit Wasserstoff oder elektrisch betriebene Busse. Ein generelles Tempolimit wird es, wie von Verkehrsminister Volker Wissing bereits angekündigt, indes nicht geben.

Nationale Strategie für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag 2021 einiges vorgenommen. Mehr oder weniger direkt betroffen sind Städte und Gemeinden von den meisten Vorhaben. So auch bei dem Versprechen der Ampel, „die Kreislaufwirtschaft als effektiven Klima- und Ressourcenschutz, Chance für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze zu fördern“. Die angekündigte „Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie“, in welcher u. a. einheitliche Standards für den Umgang mit Rohstoffen und zur Ressourcenschonung festgelegt werden sollen, ist insbesondere für kommunale Unternehmen und private Partner innerhalb der Daseinsvorsorge relevant. Geplant ist, dass die Strategie 2024 vom Kabinett verabschiedet wird. Durch die Einführung von Mindestquoten für klimafreundliche Produkte in der öffentlichen Beschaffung, sollen überdies sichere Absatzmärkte geschaffen werden. Eine Novellierung des Vergaberechts diesbezüglich steht aber noch aus.

Von den 453 Regierungsversprechen sind laut der Studie von Bertelsmann Stiftung, Universität Trier und Progressives Zentrum noch 162 völlig offen. Für deren Realisierung sowie der weiteren Umsetzung bereits angestoßener Vorhaben hat die Ampel noch gut zwei Jahre Zeit. Ob am Ende alle Versprechen zumindest angegangen werden, wird sich zeigen. Die vielen Krisen – nicht zuletzt der Ukrainekrieg mit all seinen Folgen auch für Deutschland – machen es der amtierenden Regierung nicht leichter. Auf Kommunen wird jedenfalls noch einiges zukommen. Wie auch die Regierung hier mit drei recht unterschiedlichen Parteien einen guten Kurs halten muss, sind zugleich Kommunen dazu angehalten, neue und kreative Wege zu gehen, um gemeinsam mit Partnern aus unterschiedlichsten Bereichen Zukunftsaufgaben zu meistern.

Berlin, Stadt

Zur Kommunenseite
Bundesland Berlin
Einwohner 3.644.826 m: 1.792.801, w: 1.852.025
Größe 891.12 km²
4090 Einwohner je km²
Merkmale Großstädte und Hochschulstandorte mit heterogener sozioökonomischer Dynamik
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