Rund 68 Prozent der Menschen in Deutschland leben in Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, so eine aktuelle Erhebung des Statistischen Bundesamtes. Um in diesen kleinen bis mittelgroßen Strukturen Daseinsvorsorge zu sichern, organisieren sich Kommunen ganz unterschiedlich. Bis in die 1980er Jahre hinein erbrachten sie im Sinne des Leistungsstaates existenzielle Aufgaben wie Trinkwasserversorgung, Energiebereitstellung und Abfallentsorgung überwiegend in Eigenregie über kommunal geführte Unternehmen, Zweckverbände oder interkommunale Kooperationen.
Mit steigenden Anforderungen wie Sparzwängen, Liberalisierung, Effizienz- und Qualitätssteigerungen, technologische Entwicklungen sowie Umwelt- und Naturschutz werden zunehmend auch private Unternehmen in die Leistungserbringung eingebunden. Insbesondere Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) stellen dabei eine probate Form der Zusammenarbeit dar, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten und eine solide Finanzierung sicherzustellen – auch in kleinen bis mittelgroßen Kommunen.
Erfolgreiche ÖPP im Kleinformat
ÖPP in kleineren Verwaltungsstrukturen können sinnvoll sein, wenn die Bedürfnisse und Wünsche der Gemeinden in der gemeinsamen Unternehmung im Blick behalten werden. So sollte eine Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand gerade im Kleineren einen überschaubaren, risikobewussten und gut kontrollierbaren Rahmen haben, da für das bisweilen aufwendige Vertragsmanagement oftmals personelle Kapazitäten fehlen. Damit einher geht eine kooperative und transparente Kommunikation zwischen den beteiligten Akteurinnen und Akteuren. Das sorgt für gegenseitiges Vertrauen und Klarheit in Bezug auf die Verteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten.
Besonders geeignete Bereiche für eine ÖPP im Kleinformat innerhalb der Daseinsvorsorge sind dann u. a. Abfallwirtschaft, Abwasser– und Wasserversorgung, Energieversorgung und -management sowie öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV). Hier bieten sich vor allem ÖPP in Form des Betreibermodells an. Dabei übernimmt der private Partner in der Regel alle Phasen eines Projekts von der Planung und Umsetzung bis zur langfristigen Betreuung und kümmert sich um die Finanzierung. Die Kommune profitiert von den Ressourcen und Fachkenntnissen des Privaten, ohne sich einem finanziellen Risiko auszusetzen. Zudem behält sie die Entscheidungshoheit.
Die Thüga macht’s vor
Eines der ältesten Unternehmen, das Kooperationen im ÖPP-Stil unterhält, ist die Thüga AG. Sie gilt als größter Verbund kommunaler Energie- und Wasserversorger in Deutschland und hält Minderheitsbeteiligungen in mehr als 100 Unternehmen. Zu ihren Partnerinnen gehören kleine und mittelgroße Kommunen wie Lindenberg im Allgäu mit 11.500 Einwohnerinnen und Einwohnern, die Stadt Heide in Schleswig-Holstein mit einer Einwohnerzahl von etwa 21.500 sowie das sächsische Zwickau mit rund 88.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Gemeinsam mit der Thüga versorgen die Kommunen ihre Bürgerinnen und Bürger mit Strom, Erdgas, Wärme oder Wasser und sind ein zuverlässiger Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb in der Region. Auch wenn die Thüga kein privatwirtschaftliches Unternehmen im klassischen Sinne mehr ist, sondern sich seit der Trennung vom E.ON-Konzern 2009 zu einer kommunalen Beteiligungsgesellschaft entwickelt hat, gilt das Thüga-Modell als Vorbild für ÖPP.
Bessere Versorgungsleistungen durch ÖPP
In Nordsachsen haben sich die Gemeinden Döbeln und Oschatz mit dem Umweltdienstleister VEOLIA zu einer Kooperationsgesellschaft zusammengetan. Seit 1994 versorgt die Döbeln-Oschatzer Wasserwirtschaft GmbH insgesamt rund 38.300 Menschen mit frischem Trinkwasser. Im gemeinsamen Unternehmen hält die öffentliche Hand die Mehrheit und bestimmt so über Preisentwicklungen und Investitionen. Der private Partner ist demgegenüber als Betriebsführer für das laufende Tagesgeschäft und die Instandhaltung der wasserwirtschaftlichen Anlagen zuständig. Durch eine Modernisierung der Infrastruktur konnten so Trinkwasserverluste durch marode Leitungen verringert werden. Seit 1999 betreibt VEOLIA überdies auch die Abwasserreinigungsanlagen des Zweckverbands Döbeln-Jahntal. Hier haben der Neubau einer Kläranlage und die Sanierung des Abwassersystems durch den Privaten ebenfalls zur Qualitätssteigerung der Dienstleistungen und einem leistungsfähigen Versorgungsnetz beigetragen.
Die Stadt Frechen bei Köln arbeitet seit 2004 mit dem Unternehmen REMONDIS bei der Stadtsauberkeit und in der Abfallwirtschaft zusammen. Die rund 53.000 Einwohnerinnen und Einwohner profitieren von einer zuverlässigen Abfallsammlung, von stabilen Entsorgungsgebühren und sicheren Arbeitsplätzen. Die Verwaltung wiederum kann sich auf die wirtschaftliche Effizienz des privaten Partners verlassen und verfügt über eine solide Haushaltslage, die durch Überschüsse aus der ÖPP entstehen.
Welchen Wert eine gemischtwirtschaftliche Zusammenarbeit für die Sicherung von Daseinsvorsorge haben kann, erfuhr in jüngster Zeit auch das brandenburgische Bad Belzig. Nach der Stadtwerke-Pleite infolge eines Finanzskandals beteiligte sich REMONDIS 2023 mit 49 Prozent an der Stadtwerke Bad Belzig GmbH. Durch diese Verbindung konnte der Fortbestand des Unternehmens und damit die Energie- und Wasserversorgung für rund 11.400 Bürgerinnen und Bürger gesichert werden.
Gemeinsame Investitionen in Transformationsaufgaben
Ein Großprojekt befindet sich im rund 48.300 Einwohner umfassenden Stade bei Hamburg. Hier wurde in den vergangenen Jahren im Rahmen einer ÖPP ein Bildungscampus mit Kindergarten, Grundschule und weiterführender Oberschule realisiert. Als privater Partner hat die Goldbeck Public Partner GmbH die Hansestadt bei der Planung, dem Bau und der Bauzwischenfinanzierung unterstützt – das alles unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten wie der Implementierung erneuerbarer Energien und Gründächern. Zudem ist das Unternehmen mit dem langfristigen technischen Betrieb des Campus über eine Vertragslaufzeit von 25 Jahren betraut.
Dass ÖPP trotz privater Beteiligung auch weiterhin staatliche Fördermittel beziehen können, zeigt die Wirtschaftsbetriebe Oberhausen GmbH (WBO). 2023 hat das gemischtwirtschaftliche Entsorgungsunternehmen seinen Fuhrpark mit einem elektrisch betriebenen Abfallsammelfahrzeug mit Wasserstoffbrennzellen verstärkt. Das eine Million Euro schwere Fahrzeug wurde zu etwa 60 Prozent mit Mitteln aus dem Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff– und Brennstoffzellentechnologie des damaligen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), heute Bundesministerium für Verkehr (BMV), finanziert.
Für eine klimaneutrale Abfallsammlung bis 2030 stellt auch die Stadt Freiburg im Breisgau gemeinsam mit REMONDIS ihren Fuhrpark sukzessive auf wasserstoff- und batteriebetriebene Fahrzeuge um. Aktuell werden 79 Prozent der Stadtreinigungsfahrzeuge alternativ angetrieben. Um das zu realisieren, kann die gemeinschaftlich geführte Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF) auch auf Fördermittel vom Bund zurückgreifen.
Auch wenn Oberhausen mit etwa 210.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie Freiburg mit einer Einwohnerzahl von circa 230.000 in die Kategorie Großstadt fallen, lassen sich die beiden Beispiele doch auch auf kleinere Gemeinden anwenden. Denn Oberhausen und Freiburg zeigen: In ÖPP-Unternehmen haben Kommunen trotz privatwirtschaftlicher Strukturen weiterhin die Möglichkeit, staatliche Fördermöglichkeiten zu nutzen. Für die Bewältigung notwendiger Transformationsmaßnahmen steht ihnen in der Regel auch der private Partner beratend und finanziell zur Seite.
Vorteile eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens
Die genannten und viele weitere Beispiele verdeutlichen, dass ÖPP auch im Kleinformat ein Erfolgsmodell sein können. Dennoch stehen gerade kleinere Kommunen dieser Form der gemischtwirtschaftlichen Leistungserbringung noch skeptisch gegenüber. Grund hierfür sind häufig allgemeine Vorurteile, Ängste und Unwissenheit. Es fehlt oft an Erfahrungswerten oder Netzwerken, um erfolgreiche ÖPP-Projekte zu entwickeln. Zudem schrecken gerade kleinere Gemeinden vor dem vermeintlich hohen Verwaltungsaufwand zurück.
Volkswirt und geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge (KOWID) an der Universität Leipzig, Oliver Rottmann, findet, dass Öffentlich-Private Partnerschaften zu Unrecht kritisch betrachtet werden. Gerade wenn strukturelle Bedingungen nicht einfach bzw. zügig beseitigt werden könnten, seien prozessuale Anpassungen notwendig, welche beispielsweise durch Einbezug von privatem Know-how vorgenommen werden könnten, so der Volkswirt. Rottmann benennt die Vorteile, die eine öffentlich und privat geführte Daseinsvorsorge (ÖPD) in Form von ÖPP bietet: „ÖPD zielen auf eine personelle Entlastung der Verwaltung ab und bieten eine infrastrukturelle Innovationsfähigkeit des privaten Partners – wie beispielsweise alternative Antriebe und Ladeinfrastruktur. Die synergetische Nutzung anderer Geschäftsfelder des privaten Partners bieten schlussendlich eine Kostenersparnis und zweckungebundene Erträge für die kommunalen Haushalte in Höhe der Beteiligung.“
Kleinere Kommunen profitieren von ÖPP, wenn sie gezielt eingesetzt werden: zur Überwindung von Ressourcenengpässen, zur Modernisierung öffentlicher Infrastruktur und zur qualitativen und quantitativen Absicherung von Daseinsvorsorgeleistungenbei gleichzeitig begrenztem finanziellen und personellen Spielraum. Voraussetzung ist dabei stets eine kompetente Steuerung, klare Verträge und externe Unterstützung bei der Projektumsetzung. Indem das ÖPP-Unternehmen Mitarbeitende aus der Region einstellt, regionale Vereine und Initiativen unterstützt – beispielsweise in Form von Sponsorings – sowie verlässlich und transparent kommuniziert, können überdies Vorurteile gegenüber dem Privaten abgebaut werden und dieser sich als zuverlässiger Partner im Gemeinwohlauftrag etablieren.
Private Partner können kleinere Kommunen entlasten
Für kleinere Kommunen gibt es eine Vielzahl an Gründen, sich auf eine Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft einzulassen. Erfolgreiche Öffentlich-Private Partnerschaften in Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner belegen das. „Geringere Leistungs- oder ökologische Standards sind [durch ÖPP] nicht zu erwarten“, ist Oliver Rottmann überzeugt. Laut dem Volkswirt sei sogar das Gegenteil der Fall: „Durch das Know-how, die Innovationsfähigkeit und die Prozesseffizienz lange am Markt etablierter Unternehmen mit entsprechender regionaler Verankerung lassen sich nutzerfreundliche Angebote sowie Gebühren- und Preisstabilität erreichen – zum Nutzen der Bürger und zur fiskalischen Entlastung der Kommunen.“
Kleinere und mittelgroße Gemeinden setzen vielfach auch auf reine Dienstleistungsverträge mit privaten Unternehmen. Diese werden mit einzelnen Leistungen wie Abfallsammlung, Trinkwasserbereitstellung, Energieversorgung oder Straßenreinigung betraut, welche in der Regel gebührenfinanziert sind. Das hat gerade für Kommunen mit einer kleinen Einwohnerzahl und geringen infrastrukturellen und personellen Kapazitäten Vorteile. Zudem ist die Vertragslaufzeit relativ kurz, was Verwaltungen mehr Flexibilität bei der Wahl eines passenden Dienstleisters verschafft. Beim Dienstleistermodell profitiert die Kommune jedoch nicht von den Gewinnen, die aus einer Leistungserbringung resultieren. Das ist bei der ÖPP anders: Die hier erwirtschafteten Überschüsse können anteilig dem allgemeinen Haushalt der Kommune zugerechnet und auch in andere Bereiche investiert werden.
Um mehr Größe und Schlagkraft zu gewinnen, schließen sich kleinere Gemeinden für ein ÖPP-Vorhaben oder einen Dienstleistungsvertrag mit einem privaten Dritten auch oftmals zusammen und initiieren so gemeinsame Projekte wie den Betrieb eines zentralen Wertstoffhofes oder den Einsatz eines Schadstoffmobils. Auch Fördermittel können bei der gemeinsamen Projektrealisierung unterstützen. Welche Konstellation für Kommunen sinnvoll ist, muss dabei im Einzelfall abgewogen werden.


