„Die deutsche Energiewende steht am Scheideweg“, so das Bundeswirtschaftsministerium (BMWE). Dabei ist der Erfolg beim Ausbau erneuerbarer Energien unübersehbar: Rund 60 Prozent des aktuellen Energiebedarfs werden mittlerweile aus regenerativen Quellen gedeckt – bis 2030 sollen es 80 Prozent sein. Was man aber etwas aus den Augen verloren habe, seien die Kosten, konstatiert die Bestandsaufnahme. Erneuerbare Energien allein reichten nicht aus, um eine verlässliche Stromversorgung zu gewährleisten. „Der Weg zu nachhaltig bezahlbarer Energie benötigt mehr Markt, mehr Technologieoffenheit und Instrumente, die Innovationen fördern und gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen. Es gilt, die Energiepolitik pragmatisch und flexibel auszurichten sowie Fehlinvestitionen und Überregulierung zu vermeiden“, so das BMWE.
Mit dieser Position stimmt der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) durchaus überein: „Nur mit klaren marktwirtschaftlichen Signalen, einem Fokus auf Kosteneffizienz und Investitionssicherheit gelingt die Balance von Klimaschutz, Versorgungssicherheit und bezahlbaren Preisen“, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. So ging es auch beim diesjährigen Kongress vor allem um wirtschaftliche und konstruktive Lösungen zur Umsetzung der anstehenden Transformationsaufgaben. Denn bis spätestens 2045 müssen Stadtwerke das Energiesystem auf Klimaneutralität umstellen. Dazu gehört der weitere Ausbau von Fernwärme, Wärmepumpen sowie grünem Gas – was wiederum milliardenschwere Investitionen bedeutet.
In ihrer Keynote ließ Reiche durchblicken, dass zur zukünftigen Absicherung der Versorgungssicherheit überwiegend Gaskraftwerke gebaut werden sollten. Das könnte erhebliche Folgewirkungen haben, denn laut europäischem Recht müssten Förderkosten für den Bau von Kraftwerken zum Zwecke der Versorgungssicherheit per Umlage an die Endkonsumenten weitergegeben werden. Das dürfte insbesondere für Privathaushalte und stromintensive Unternehmen zu einer finanziellen Mehrbelastung führen.
Weiterhin will Reiche bei den neuen Kraftwerken nicht mehr vorschreiben, dass diese nach einigen Jahren auf Wasserstoff umgestellt werden sollen (H2-ready-Gaskraftwerke). Das könnte aber langfristig die Erreichung der Klimaziele gefährden und das Risiko für eine größere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen bergen. Neben der Kraftwerksstrategie ging Reiche auch auf den Kapazitätsmechanismus ein: „Gesicherte Leistung im Kapazitätsmarkt heißt natürlich nicht nur Gaskraftwerke. Das heißt auch Biomasse, Speicher und Flexoptionen.“
Stadtwerke brauchen klare Regelungen für Wärmewende
Für Gesprächsstoff sorgte auch das umstrittene Gebäudeenergiegesetz (GEG, auch Heizungsgesetz genannt), das 2020 unter der damaligen Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD beschlossen wurde. Dieses soll laut dem neuen Koalitionsvertrag der beiden Parteien wieder abgeschafft und durch ein technologieoffeneres, flexibleres und einfacheres GEG ersetzt werden, bei dem die erreichbare CO2-Vermeidung die zentrale Steuerungsgröße sein soll. Die rheinland-pfälzische Energie- und Klimaschutzministerin Katrin Eder warnte vor grundlegenden Änderungen des Gesetzes. Diese könnte die sich ohnehin nur langsam entwickelnde Wärmewende ausbremsen – das insbesondere mit Blick auf die von Reiche angekündigte Kürzung von Subventionen bei PV-Dachanlagen. Ingbert Liebing hinterfragte indes, ob Technologien noch öffentlich gefördert werden müssten, die sich wirtschaftlich am Markt durchsetzen könnten.
Gleichwohl plädiert auch der VKU für verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen: Laut einer Branchenumfrage des Verbands halten 68 Prozent der Unternehmen die bisherige Finanzierung für unzureichend, 55 Prozent bewerten die Rechtslage als unklar. Das wiederum führt zu Planungs- und Investitionsunsicherheiten. „Nach der guten Grundlage des Monitoringberichts und dem 10-Punkte-Plan muss die Bundesregierung nun zügig die Weichen für die Wärmewende stellen und vor allem die Reform des Heizungsgesetzes konkretisieren“, lautete deshalb der Appell von Liebing. Auch das Wärmeplanungsgesetz, die Wärmelieferverordnung und die AVB-Fernwärmeverordnung müssten für die künftigen Aufgaben fit gemacht werden, forderte der VKU-Chef. „Ziel muss ein Winter der Entscheidungen für die Wärme sein.“
STADTWERKE AWARD für Vorbildprojekte vergeben
Allen Herausforderungen zum Trotz zeigten viele Best-Practice-Beispiele auf dem VKU-Stadtwerkekongress, dass Transformation schon erfolgreich stattfindet. Herausragend waren dabei die Projekte des STADTWERKE AWARDS. Dieser wird seit 2010 jährlich für ganzheitliche Vorbildprojekte von Stadtwerken und kommunalen Unternehmen vergeben – seit 2016 gemeinsam mit der VKU-Akademie und der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK). Mit 51 eingereichten Bewerbungen verzeichnete der Award 2025 eine Rekordbeteiligung. „Die hohe Anzahl und Qualität der Bewerbungen sind ein starkes Zeichen für den Innovationsspirit der gesamten Branche“, sagte Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung der Trianel GmbH und Jurymitglied. Vier Projekte aus Deutschland und Österreich wurden ausgezeichnet.
Den ersten Platz belegte die Brancheninitiative GenAI Factory Netzbetreiber, in der sieben Netzgesellschaften den Einsatz generativer KI im Netzbetrieb gemeinsam vorantreiben. Besonders gewürdigt wurde von der Expertenjury dabei der kollaborative Ansatz der Initiative. Außerdem würde das Projekt Effizienz, Fachkräfteentlastung und Nachhaltigkeit miteinander vereinen und sei somit ein wegweisendes Modell für die digitale Transformation in der Energiebranche.
Hier finden Sie mehr Informationen zur Brancheninitiative GenAI Factory Netzbetreiber.
Den zweiten Platz teilten sich gleich zwei kommunale Unternehmen. Da ist zum einen die Stadtwerke Essen AG, die mit dem Projekt KUBIKS die Bewirtschaftung von Mehrparteienhäusern digitalisiert hat und damit gleichzeitig zur Wärmewende beiträgt: Über eine durchgängige digitale Plattform sind Energie-, Abrechnungs- und Smart-Home-Systeme miteinander verbunden. Damit werden Prozesse vereinfacht sowie Transparenz für Mieterinnen und Mieter geschaffen. Zusätzlich eröffnet die Plattform neue Geschäftsfelder in der Wohnungswirtschaft.
Lesen Sie mehr über das Vorbildprojekt KUBIKS.
Die Wien Energie GmbH hat zum anderen mit der digitalen Plattform Hyoneer ein europaweit einsetzbares Tool entwickelt, um grünen Wasserstoff transparent und manipulationssicher zu zertifizieren sowie Nachweisprozesse zu automatisieren und zu vereinfachen. Die Plattform hat die Jury überzeugt, da sie Vorteile in Bezug auf Effizienz und Kosten bietet und das Vertrauen in nachhaltige Energieträger stärkt.
Einen Sonderpreis erhielt die Stadtwerke Bonn GmbH mit ihrer Kampagne „Bonn bleibt bunt“. Diese hat zwar nicht primär etwas mit der Energiewirtschaft zu tun, setzt jedoch ein starkes Zeichen für Vielfalt, Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt – als Grundlage für eine gelingende Energiewende. Damit sei die Kampagne laut Jury „ein greifbares und übertragbares Modell, wie Stadtwerke auch über ihre Kernaufgaben hinaus wirken können“.
Mehr über die Kampagne „Bonn bleibt bunt“ lesen Sie hier.
Nach dem Kongress ist vor dem Kongress und so steht der Termin für den VKU-Stadtwerkekongress 2026 bereits heute fest: Am 16. und 17. September 2026 trifft sich die kommunale Energiewirtschaft erneut zum Verstehen, Verbinden und Vernetzen – dann in Berlin. Interessierte können sich bereits jetzt auf der Seite der VKU-Akademie für die Veranstaltung anmelden.