Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen ist eines der größten Zukunftsprobleme. Die aktuelle Weltwirtschaftslage im Zusammenspiel mit den politischen Differenzen der großen Nationen befeuert die Angst vor Abhängigkeit und der ungerechten Verteilung der wenigen noch verfügbaren Ressourcen. Die Abfallindustrie, Recycling und andere Teile der Kreislaufwirtschaft helfen jedoch dabei, diese Abhängigkeiten zu mindern und eröffnen Unternehmen und Ländern neue Möglichkeiten der Ressourcenbeschaffung und -verwertung.
Das Prinzip Kreislaufwirtschaft: Mehr als nur Abfallindustrie
Kaum eine Wirtschaftssparte ist in Deutschland so erfolgreich wie die Kreislaufwirtschaft: Im Jahr 2021 wurde ein Umsatz von 105 Milliarden Euro erzielt und es waren genauso viele Menschen im kreislaufwirtschaftlichen Sektorbeschäftigt wie in der gesamten deutschen Energiewirtschaft – Tendenz steigend. Der Erfolg der Kreislaufwirtschaft ist kein Zufall.
Die letzten Jahre mit ihren teils drastischen Ereignissen haben gezeigt, dass Europa, insbesondere Deutschland einen großen Teil ihrer Wirtschaft umstellen muss. Langfristig führen Energie- und Rohstoffimporte zu einer fatalen Abhängigkeit, der die Kreislaufwirtschaft ein wichtiges Gegengewicht entgegenstellt: Durch Recyclingprozesse lassen sich wichtige Rohstoffe wie Metalle und Elemente zurückgewinnen, was wiederum natürliche Ressourcen und die Umwelt schont. Der Verbrauch neu gewonnener Ressourcen wird somit auf ein Minimum beschränkt. Das macht Länder, in denen intensiv auf Rohstoffrückgewinnung gesetzt wird, zu wirtschaftsstarken Akteuren.
Zudem zählt die Recyclingbranche zu den größten Innovationsfeldern überhaupt: In kaum einer anderen Branche werden so viele neue Technologien entwickelt, die bei der Wiederverwertung natürlicher Ressourcen zum Einsatz kommen. Immer wieder bringen neu erprobten Möglichkeiten die Kreislaufwirtschaft voran. Dazu gehört auch der Trend des Refurbishments, bei dem alte, ausgemusterte Produkte aufgearbeitet und wieder funktionsfähig in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden.
Auch auf internationaler Ebene sorgen die Mechanismen und Strukturen der Kreislaufwirtschaft dafür, dass sich Länder gegenseitig unterstützen. Der Im- und Export unterschiedlicher Abfallarten zu Recyclingzwecken sowie der Handel mit Anlagen, Maschinen und Recyclingstoffe stärken die Wirtschaft sowie die wirtschaftlichen Beziehungen. Eventuell auftretende Lieferkettenprobleme aufgrund von Konfliktherden oder anderen Krisensituationen in der Welt können so gering gehalten werden.
Durch Ressourcenschonung und den Einsatz moderner Technologien wird ein effektiver und nachhaltiger Klimaschutz erreicht. So konnte die Abfallwirtschaft ihre eigenen CO2-Emissionen innerhalb der letzten 32 Jahre drastisch um 75 Prozent senken. Die effiziente Rückführung von Energie und Materialien in den Wirtschaftskreislauf kommt somit der Natur und der Gesellschaft zugute.
Kreislaufwirtschaft: Ideale Voraussetzungen für Start-ups
In den letzten Jahren ist die Zahl der Start-ups, die mit Recycling, Refurbishment und anderen Bereichen der Kreislaufwirtschaft hohe Umsätze erzielen, massiv gestiegen. Europa zählt aktuell rund 2.500 Unternehmen aus diesem Wirtschaftszweig, die meisten davon haben ihren Sitz in Großbritannien, Deutschland ist bereits auf dem zweiten Platz dieses Rankings vertreten. Knapp 500 Unternehmensgründungen mit einem Gesamtkapital von ca. 5,7 Milliarden Euro haben sich in Deutschland angesiedelt – ein deutlicher Wachstumsfaktor für die lokale Wirtschaft. Zu den europäischen Metropolen, in denen sich die Start-up-Szene der Kreislaufwirtschaft ballt, zählen London, Berlin, Barcelona, Paris und München. Das ist kaum überraschend, denn die dort ansässigen Universitäten gehören zu den führenden Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet und versorgen die Unternehmen mit Nachwuchskräften oder begünstigen sogar weitere Neugründungen.
Zur Motivation vieler Start-ups tragen nicht nur der Klimaschutz und die Schonung von Ressourcen und Umwelt bei. Die Unternehmen haben gelernt, dass die Kreislaufwirtschaft gewinnbringend sein kann und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Konkurrenz zu den USA und Asien erheblich stärkt. Das gesamte ökonomische und innovative Potenzial dieses Wirtschaftssektors ist noch lange nicht ausgeschöpft: Nur ein Prozent der registrierten Start-ups entwickelt Lösungen zur Verfeinerung oder Demontage von Materialien und lediglich vier Prozent nutzen moderne Technologien wie künstliche Intelligenz in Verbindung mit der Kreislaufwirtschaft. Deutschland ist hierbei wiederum einer der Vorreiter, denn ein großer Teil der Start-ups, die auf KI und andere Technologien setzen, hat sich hier angesiedelt.
Resilienz: Europäischer Aktionsplan zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft
In den vergangenen Jahren hat die Europäische Union eine Aktions- und Förderprogrammatik entwickelt, um die Kreislaufwirtschaft in den Mitgliedstaaten voranzutreiben. Bereits 2022 legte die Europäische Kommission den ersten Maßnahmenplan vor, um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen – auch im Sinne der Klimaneutralitätsziele der EU. Im Fokus des ersten Maßnahmenpakets standen vor allem Ökodesign-Richtlinien, die Stärkung der Verbraucherrechte sowie Nachhaltigkeitsstrategien für die Textilbranche. Bereits beim ersten Entwurf hatte die Europäische Kommission diese Kerngedanken fest im Blick. Europa soll sauberer werden und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben. Der Schlüsselbegriff lautet Resilienz: sichere und nachhaltige Lieferketten, wachsende Finanzierungsmöglichkeiten, politische Unterstützung aus Europa und ökonomische Nachhaltigkeit. Das zeichnet die Kreislaufwirtschaft aus.