„Die Zukunft der Infrastruktur ist eine der größten Aufgaben unserer Zeit.” Mit diesen Worten begrüßte Katrin Leonhardt, Vorstandsvorsitzende der Sächsischen Aufbaubank (SAB), das Plenum. Zum mittlerweile vierten Mal war die SAB Gastgeberin der Tagung „Zukunft der Infrastrukturentwicklung”, welche vom Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge (KOWID) in Leipzig unter Leitung von Oliver Rottmann, Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer von KOWID, organisiert wird. In Vorträgen und Podiumsdiskussionen ging es um die Frage, wie der Ausbau und der Erhalt von Infrastruktur zwischen Transformation, Standortpolitik und finanziellen Zwängen gelingen kann. Kommunen spielen dabei eine zentrale Rolle. Gleichwohl betonte Leonhardt: „Kommunen stehen durch fiskalische und strukturelle Rahmenbedingungen vor großen Herausforderungen.” Das neue Sondervermögen sei ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch kein „Allheilmittel”. Um strukturelle Probleme der Kommunen zu lösen, müssten neben optimierten Prozessen weitere Finanzierungspotenziale gehoben werden, so Leonhardt. Großvolumige Infrastrukturförderprogramme der Landesbanken, aber auch Kapital aus der Privatwirtschaftkönnten Städte und Gemeinden bei der Transformation unterstützen.
Ausbau von Infrastruktur: Regierung will mehr ÖPP-Projekte
Der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch bekundete seine Zweifel, was die Notwendigkeit eines Sondervermögens angeht. In der ersten Keynote warf er die Frage auf, was hier eine rentierliche Investition sei – sowohl aus betriebswirtschaftlicher wie auch politischer Sicht. Er betonte, dass Deutschland eine der besten Förderbanken-Strukturen der Welt habe. „Mit diesen Methoden müssen wir in Zukunft mehr arbeiten.” Außerdem sprach sich Koch dafür aus, privates und öffentliches Engagement in Zukunft sinnvoll zu kombinieren – ohne öffentliches Eigentum abzugeben.
CDU/CSU-Bundestagsabgeordneter Christoph Ploß referierte nachfolgend über Strategien der Bundesregierung, um den Infrastrukturausbau voranzutreiben. Schwerpunkt sei die Sicherstellung einer langfristigen Planung und schnellerenUmsetzung von Projekten u. a. durch weniger Bürokratie, mehr ÖPP-Projekte, Digitalisierung sowie standardisierte Umweltprüfungen. Das Sondervermögen solle dabei helfen, Infrastruktur auf Vordermann zu bringen, so Ploß, sei aber keine Dauerlösung. An strukturellen Reformen käme die neue Regierung nicht vorbei.
In der ersten Podiumsdiskussion zum Thema Transformation zwischen staatlicher Leistungserbringung und privatem Kapital musste sich Ploß gegen Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta behaupten. Diese bemängelte, dass das Sondervermögen nur akute Projekte finanziere und keine zusätzlichen Infrastrukturvorhaben adressiere. Auch für die Energiewende brauche es zusätzliche Investitionen, so der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des VKU, Kai Roger Lobo. Bis 2030 seien hierfür 730 Milliarden Euro nötig. Hier sei man auch auf privates Kapital angewiesen. Gleichwohl sprach sich Lobo gegen Privatisierung aus. Pluspunkte für ÖPP sah Jan Schnellenbach, Professor für VWL an der Uni Cottbus, in deren Effektivität und Nutzerzufriedenheit. Durch Beteiligung eines Privaten könnten jedoch auch Regulierungsprobleme entstehen. Hier müsse man von Projekt zu Projekt genau abwägen.
Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten
Die zweite Diskussionsrunde beschäftigte sich mit der Fragestellung: Braucht die Energiewende eine Neujustierung? Ines Zenke, Präsidentin des Wirtschaftsforums der SPD und Rechtsanwältin, beantwortete diese Frage mit einem Jain.Es gäbe bereits viele Leitplanken und Zielstellungen wie Treibhausgasneutralität bis 2045 und Vorrang für erneuerbare Energien. „Wir brauchen aber auch Aufbruchsstimmung in der Verwaltung und ein Mindset, das darauf ausgerichtet ist, die Energiewende voranzubringen”, so Zenke. Umstritten war in der Runde, ob die Beteiligung der Bürgerschaft an Projekten mit erneuerbaren Energien sinnvoll sei, um deren Akzeptanz zu steigern.
Wie das Land Sachsen in puncto Energiewende aktuell aufgestellt ist, beschrieb in der anschließenden Keynote Thomas Kralinski, Amtschef und Staatssekretär des sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. „Sachsen wird auch in den nächsten zehn Jahren noch ein Land voller Energie sein. Wahrscheinlich aber ohne Kohle, mit viel Wind und Sonne – einer Energieversorgung, die grün, sauber und dezentral ist”, lautete seine Prognose. Auch im Bereich Digitalisierung erwartet Kralinski einen massiven Ausbau der Infrastruktur.
Was Digitalisierung auf kommunaler Ebene möglich macht, wurde in der nachfolgenden Podiumsdiskussion deutlich:Während Ulf Middelberg als Geschäftsführer der Leipziger Versorgung- und Verkehrsgesellschaft bereits heute auf Fahrsimulationstrainings für seine Mitarbeitenden baut, bietet REMONDIS als privater Partner digitale und KI-basierte Lösungen an, die Kommunen ermöglichen, personalunabhängige 24/7 Wertstoffhöfe zu eröffnen oder Kehrmaschinen mit optischer Sensorik auszustatten. Christina Labusch, Leiterin der Public Affairs bei REMONDIS, betonte in der Runde zum Thema Smart City aber auch den Datenschutzes. Das sei wichtig, damit Bürgerinnen und Bürger sowie kommunale Mitarbeitende Vertrauen und Akzeptanz in die Transformation und den Einsatz von KI aufbauten.
Transformation als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
In der letzten Podiumsdiskussion ging es dann um die Energiebereitstellung in Sachsen und Mitteldeutschland. Die Referenten forderten u. a. einen regulatorischen Rahmen für den Strukturwandel und plädierten dafür, an der Geschwindigkeit zur Umsetzung der Klimaneutralität festzuhalten. Insgesamt verdeutlichte die Tagung die enorme Bandbreite an Aufgaben, die es in Kommunen anzupacken gilt. Klar wurde auch, dass der Ausbau von Infrastruktur sowie die damit intendierte klimaneutrale Transformation nicht nur Sache der öffentlichen Hand ist. Es ist vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für deren Bewältigung Verwaltung, Politik, Wissenschaft, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten müssen. Darauf bezog sich auch eine Aussage von Roland Koch, die er den Teilnehmenden der Tagung als Anregung mitgab: „Einen Teil der traditionellen Wege sollten wir verlassen.”