glatte leere Straße im Winter überfroren mit Eis und Schnee CreativeNature_nl@envato
Verkehr 28. Februar 2024

Gurkenwasser: Umweltfreundliche Alternative zum Streusalz

Trotz ausbleibenden Winters fordern glatte Straßen durch überfrierende Nässe Autofahrer und Kommunen in den Wintermonaten heraus. Auf der Suche nach umweltfreundlichen Streumitteln werden Winterdienste deshalb immer wieder kreativ. Gurkenwasser gilt seit einigen Jahren als praktische Alternative für das umweltschädigende Streusalz.

Salz steht als Streumittel im Winter schon lange in der Kritik und ist daher in vielen Städten und Gemeinden für Privatpersonen bereits verboten. Für die meisten Winterdienste ist Streusalz jedoch noch nicht aus ihrem Alltag wegzudenken. Umweltschonend ist das nicht, da das überwiegend aus Natriumchlorid (NaCl) bestehende Streumittel mit dem Schmelzwasser in Flüsse, Seen und Grundwasser gelangt, wo es u. a. Pflanzenwurzeln schädigt und diese anfälliger für Krankheiten und Vertrocknung macht. Außerdem schädigt die salzhaltige, aufwirbelnde Verkehrsgischt langfristig Autos, Gebäude und Fahrbahnbeläge.

Streusalzalternativen

Bisher galten abstumpfende Streumittel wie Sand, Split und Kies daher als gängige Alternativen zum Streusalz. Das Eis wird dabei zwar nicht abgetaut, doch die erhöhte Griffigkeit der bestreuten Fläche macht vereiste Straßen und Wegesicherer. Dafür muss allerdings eine große Menge Granulat verwendet, regelmäßig nachgestreut und am Ende wieder aufgekehrt sowie gewaschen werden, bevor es deponiert werden darf. Der sogenannte Waschschlamm gilt als Sondermüll, weil Splitt und Granulat giftige Substanzen wie Arsen, Blei oder Quecksilber enthalten können. Deswegen sind Straßenmeistereien und Kommunen stets auf der Suche nach einem Streumittel, das gut gegen Schnee- und Eisglätte wirkt und möglichst umweltverträglich und preiswert ist. Man denkt in diesem Zusammenhang beispielsweise über die Verwendung von Mais-Spindel-Granulat, Kaliumcarbonat (bekannt als Pottasche) oder Formiate (Salze der Ameisensäure) nach, die beispielsweise im Flughafenbereich zum Einsatz kommen. 

Straßenmeisterei und Feinkost-Firma in produktiver Nachbarschaft 

Die Straßenmeisterei Dingolfing in Niederbayern hingegen verteilt Gurkengärlake der Firma Develey Senf & Feinkost GmbH als Schutz vor Glatteis auf den winterlichen Straßen. Die Idee, statt Streusalz auf bearbeitetes Gurkenwasser zu setzen, entstand durch den in Dingolfing ansässigen Gurkenproduzenten. Die Betriebsgelände der Straßenmeisterei und der Feinkost-Firma liegen direkt nebeneinander und so setzte man sich bereits vor vielen Jahren zusammen und überlegte, wie man aus dieser Konstellation einen gemeinsamen Vorteil generieren könnte. Denn bisher wurde von Develey genau das entsorgt, was die Straßenmeisterei aufwendig herstellte. 

Die Straßenmeisterei löste dazu in der Vergangenheit das Steinsalz in einem Soleerzeuger in Wasser und produzierte das salzhaltige Streumittel selbst. Der salzhaltige Sud, der wiederum bei der Verarbeitung von jährlich mehreren tausend Tonnen Gewürzgurken nebenan entstand, wurde über eine Kläranlage in die Kanalisation abgeleitet. 

Seit dem Winter 2019/20 ist es nun gängige Praxis, das Abfallprodukt aus der Herstellung von Gewürzgurken, die sogenannte Gärlake, im Winterdienst als Streumittel einzusetzen. Bei diesem Streusalz-Ersatz handelt es sich im Übrigen um salzhaltiges  und nicht um das essigsaure 

Wasser aus Gurkengläsern. Unangenehme Gerüche o. ä. entstehen im Anschluss an den Streuvorgang demnach nicht.

Gurkenwasser im Winterdienst bringt ökonomische und ökologische Vorteile

Für den Einsatz im Winterdienst wird der Sud aus dem Produktionsprozess der Gurkenherstellung von pflanzlichen Bestandteilen gereinigt, aufbereitet und mit einer kleinen Menge Salz angereichert, um die optimale Tauwirkung zu erzeugen. Fertig ist die Winterdienstsole, die bereits seit Dezember 2021 in Dingolfing und Umgebung im Regelbetrieb zum Einsatz kommt.

Noch bevor die Gärlake zum Einsatz kam, wurden umfangreiche Laboranalysen zur Abklärung ihrer Verwendbarkeit im Winterdienst beauftragt. Hinsichtlich Abfall- und Lebensmittelrecht sowie der Anforderungen der europäischen Salznormung, gibt es demnach keine Bedenken. Die Ergebnisse zeigten, dass die Sole, die aus dem Prozesswasser der Gewürzgurkenherstellung erzeugt wird, weder Allergene noch organische Reststoffe beinhaltet.

Die Straßenmeistereien rund um Dingolfing mussten mit der Umstellung des Streumittels auch nicht in neue Gerätschaften investieren (Sole ist gleich Sole) und sparen inzwischen jedes Jahr mindestens 100 Tonnen Salz und 800.000 Liter Wasser ein. Denn durch die Verwendung der Gurkengärlake lassen sich, bei gleichbleibender Verkehrssicherheit, u. a. bis zu 75 Prozent der Salzmenge gegenüber Trockensalz und Wasser einsparen. Zudem haftet die Sole besser auf der Straße und ihre Wirkung hält länger an. Auf diese Weise ist ihr Einsatz nicht nur effizienter, sondern auch weniger belastend für die Umwelt.

Alternative mit Perspektive?

Inzwischen zeigen auch andere Kommunen und Bundesländer Interesse an der Idee, Winterdienst-Fahrzeuge mit aufbereiteter Sole anstelle von Streusalz zu beladen. Der Landesbetrieb Straßenwesen (LS) in Brandenburg beispielsweise ist, durch die regionale Nähe zu den Unternehmen der Gurkenherstellung im Spreewald, an dem Projekt interessiert.

Gurkenwasser ist nur eine Möglichkeit, den Winterdienst nachhaltiger zu gestalten. Grundsätzlich sollten möglichst alle Straßenmeistereien einen ökonomischen und ökologischen Umgang mit Salz anstreben, um die Belastung für Pflanzen, Böden und Tiere so gering wie möglich zu halten. Oberste Priorität für Kommunen jedoch muss bleiben, die Straßen für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer sicher zu gestalten und für die großen Bundesstraßen und Autobahnen gibt es bisher leider noch keine Alternative für Streusalz.

Dingolfing, St

Zur Kommunenseite
Bundesland Bayern
Einwohner 19.839 m: 10.252, w: 9.587
Größe 44.00 km²
451 Einwohner je km²
Merkmale Wachsende familiengeprägte ländliche Städte und Gemeinden
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